Review: Was geschah auf Morriton Manor? (1)

Mit der Frage „Was geschah auf Morriton Manor?“ leiten die RocketBeans eine neue Runde wilden Pen&Paper-Wahnsinn ein. Im Vorfeld war nicht wirklich viel bekannt zum Setting, den Spielcharakteren oder dem Ablauf des Abenteuers. Lediglich ein kurzer Teaser gab Anlass zu Spekulationen.

Aber das machte die ganze Sache nur noch mysteriöser. Keine Namen, keine Geschichten, nur das Schattenspiel eines Hauses. Da war der Big Ben, eines der Wahrzeichen Londons und das Aufflackern eines Pentagramms im Fenster eines alten Herrenhauses. Das war alles. Bis heute Abend.

Nachdem es in den letzten Pen&Paper-Ausgaben nicht möglich war, haben wir es heute endlich wieder geschafft den Abend zu dritt zu genießen. So saßen also Olli, Raik und ich auf den Couch, völlig ahnungslos, was uns wohl erwarten würde. Und dann ging es los.
Der Bildschirm in schwarz-weiß, seichte Klaviermusik im Hintergrund, Hauke liest das Setting vor und Etienne beginnt seinen Charakter zu beschreiben. Ich frage mich schon nach den ersten Sätzen – warum kann er das so gut? Durch das ganze Abenteuer hindurch mimt er den Franzosen so gekonnt, dass ich überlege, ob er hier vielleicht lange verheimlichte Seiten auslebt. Auch die Wortwahl passt, zumindest für mich als Fremdsprachenlaien, mir wäre für „Polizei“ nicht zuerst „Gendarmerie“ eingefallen. Wirklich wunderbar und sorgt so schnell dafür, dass ich mich mit dem Setting wohl fühle. Obwohl ich nicht mitspiele.
Auch das dynamische Duo aus Budi und Simon funktioniert mit einem wunderbaren Mix aus Wortwitz und Situationskomik. Bereits nach der ersten halben Stunde ist „Ich hasse mein Leben“ bereits der Catchphrase des Abends für mich. Auch das Spiel mit der Kamera beherrscht Herr Budiman.
Nils spielt derweil mit Stereotypen und Vorurteilen, ohne in den flachen Bereich abzurutschen. Die herablassende Art passt auch zum Charakter, alle vier spielen ihre Charakter wirklich gut, wobei mir die nasale Aussprache für die Interpretation von Lord Henry nicht ganz zusagt. Aber das muss sie ja auch nicht.
Man merkt einen deutlichen Unterschied zu den ersten Folgen von T.E.A.R.S. und diese Entwicklung macht viel Spaß. Beim Dialog im Flur hinter dem Esszimmer ist es dann um Olli geschehen, die Tränen fließen vor Lachen und auch für Raik und mich macht das alles nur noch schlimmer. Warum muss er auch so eine ansteckende Lachart haben! Furchtbar.

Rutschen wir von den Spielern einen Sitz weiter zu Hauke. Aus meiner Sicht hat er sich diesmal mit dem Setting und der Art des Abenteuers einen großen Gefallen getan. In der Vergangenheit habe ich öfter bemängelt, dass die Abenteuer etwas starr wirken. Es gab verschiedene Auswahlmöglichkeiten, aber, so schien es mir zumindest, am Ende läuft alles auf 2-3 Bahnen hinaus, denen die Geschichte folgen muss. Es machte nicht den Eindruck, als könnten die Spieler durch spontane Ideen und Handlungen ganze Teile umwerfen, sondern sie mussten sich zwischen den gegebenen Optionen entscheiden.
Das ist diesmal anders – Hauke kann das ganze Haus planen, die Anzahl an Akteuren ist begrenzt und alles eignet sich damit ganz hervorragend für Einspieler, geplante Soundeffekte und Bilder. Denn zum ersten Mal kommt trotz des begrenzten Raumes das Gefühl auf, dass die Helden wirklich den Verlauf der Geschichte in der Hand haben. Teilweise kommen die NPCs etwas starr und steif herüber – wieder ein Pluspunkt, denn das passt wirklich gut zum etwas angestaubten Englandsetting. Auch mit dem neuen Würfelsystem wurde ein Schritt in die richtige Richtung getan. Viel einfacher kann ein Regelwerk kaum sein, jedem sollte intuitiv klar sein, wie die 100er-Proben funktionieren und dass ein höherer Wert besser ist.

Das Abenteuer selbst fing, wenn man allen Klamauk und Humor ignoriert, schon sehr mysteriös an. Die Helden erhalten eine Einladung des Lords, der sich aber den ganzen Abend nicht sehen lässt? Dann die Entwicklung um den Butler Bruce, der falsche Aussagen zu seiner Beschäftigungszeit macht. Und nach allen Hinweisen am Ende das geheimnisvolle Zimmer mit verbarrikadierten Fenstern. Als krönender Abschluss dann der Frauenschrei, der das verdiente Ende verkündet. Denn aus dem One-Shot wurde während der Session ein mehrteiliges Abenteuer, eine Entwicklung, die sich bereits auf Twitter abzeichnete. Ich finde es gut. Das Tempo war gut, es wurde icht gehetzt und die Geschichte hat sich sehr natürlich entwickelt. Das langsame Herumtappen der Helden sorgt für Spannung und passt einfach perfekt zur Idee des Abenteuers. Denn am Ende der ersten Runde sind eigentlich nur noch mehr Fragen in den Köpfen als zu Beginn. Ein klassischer Krimi.

Auch die Kulissen sind reduzierter als zuletzt bei Beards, aber mindestens ebenso gekonnt in Szene gesetzt. Der Stil erinnert mich stark an Tim Burtons „Corpse Bride“, nicht zuletzt, weil Lord Henry wie eine jüngere Version des Antagonisten des Films zu sein scheint.

Um es auf einen Punkt zu bringen – „Was geschah auf Morriton Manor“ ist aus meiner Sicht das bisher unterhaltsamste Abenteuer der Gruppe. Alle Stärken konnten hier ausgespielt werden und es hat jede Minute Spaß gemacht dem wilden Treiben zuzusehen. Weiter geht es am 24.März 2017.
Wie hat es euch gefallen? Habt ihr bereits Vermutungen wie die Geschichte ausgeht?
Um es Hauke zum Abschluss noch einmal selbst sagen zu lassen:

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