Morriton Manor Stories – The Funeral 2 (Review)

Der obligatorische Wartemonat ist deutlich vorüber, also kann ich mich ruhigen Gewissens an den zweiten Teil von „Morriton Manor“ wagen. Nach den letzten Reviews scheint das ja die neue Norm bei mir zu werden. Die Ankündigung der Ausstrahlung war ein kleiner Stich in mein Herz, denn ich wusste schon, dass ich im März im Ausland unterwegs sein würde. Freunde nennen mich nicht ohne Grund „BuisnessBjörn“. Ja. Ja, weil es cool klingt. Aber wir sind nicht hier, um über Spitznamen zu reden! Wir wollen über Würfel reden, über geschmacklose Witze, über lachende Männer und die Erotik zwischen Spielern und Spielleiter!

Zunächst die wichtigste Nachricht: die ganze Folge findet ihr inzwischen auch auf YouTube: Pen & Paper Morriton Manor Stories: The Funeral – Teil 2 | Vier Männer und ein Todesfall. Denn ab jetzt wird wieder mit gutem Gewissen gespoilert, sonst macht sich so ein Review nämlich schwer.

Bereits im Vorfeld gab es schlechte Nachrichten: einen Tag vor dem Event sagte Etienne seine Anwesenheit ab. Eine schockierende Nachricht, denn gerade in der Morriton Manor-Gruppe funktioniert das Miteinander besonders durch die sehr unterschiedliche Chemie der vier Charaktere. Dass nun Doktor Tesseraque wegbricht, ist schade. Wie man diesen Umstand gut für Gags benutzt, die so kindlich und naiv sind, dass es schon wieder Spaß macht, haben die Bohnen direkt in der ersten Kameraeinstellung gezeigt:

Ich weiß, ich bin vielleicht zu leicht zu begeistern, aber das Foto auf dem Ballon hat bei mir sofort für Freude gesorgt. Trotzdem schwingt hier natürlich auch etwas Trübsal mit. Apropros „Saal“ (ich habe gerade selbst einen Euro in den Schlechte-Überleitungen-Topf gesteckt), eine weitere große Neuerung: #spitzestifte wurde Live in mehreren Kinos in Deutschland übertragen!
Das finde ich stark, hat mich allerdings nicht völlig aus den Socken gehauen, da Acqusitions Inc. dies bereits 2016 erfolgreich erprobt hatte. Allerdings auf der anderen Seite des großen Teichs, deswegen schätze ich es trotzdem als großen Erfolg für das Format #spitzestifte. Und man muss nicht immer der erste weltweit sein. Auf jeden Fall waren die Tickets eine kleine Augenweide:

Die tatsächlich ausgehändigten Tickets hatten zwar noch nicht den Look mit angerissenen und angebrannten Kanten, aber hier findet sicher jeder von uns einen kleinen Künstler in sich und kann mit einem Feuerzeug nachhelfen. Und in der hinteren Hosentasche herumtragen sollte den Rest erledigen. Da ich selbst nicht in einem der Kinos war (wie bereits erwähnt musste ich die Show nachholen), kann ich leider nicht viel zur Stimmung sagen. Ich habe von mehreren Teilnehmern gelesen, dass es eher die typische „Kino-Stimmung“ war, die einzelnen Gruppen also nicht groß miteinander agiert haben. Es kam der Vorwurf, dass man sich wie einem Saal voller Unbekannter gefühlt hat und nicht wie mit anderen Bohnen. Ich kann das verstehen, muss aber auch dazu sagen, dass ich vermutlich auch nicht zu den Leuten gehören würde, die sich großartig mit anderen unterhalten. Schließlich bin ich dort, um die Show zu sehen. Für mich persönlich wäre der Gang ins Kino deswegen eh nichts, denn ich will nebenbei essen, trinken, mit meinen Freunden über die Ereignisse in London quatschen und ein wenig Twitter im Auge behalten. Im Kino könnte der Blick aufs Handy bestimmt schnell nerven. Nichtsdestotrotz – allein die Tatsache, dass die Übertragungen in mehreren Kinos ausgestrahlt wurde, ob nun erfolgreich oder nicht, ist aus meiner Sicht ein Meilenstein.

Nochmal für einen Moment zurück zu Twitter. Wer in den letzten Wochen ab und an mal nachgesehen hat, was unter dem Hashtag #spitzestifte vor sich geht, der wird vermutlich auch mal auf das Profil von mrBaum gestoßen sein. Der hat mit fantastischer Hingabe vier wundervolle Büsten der Hauptcharaktere geschaffen. Und sie im Anschluss den Bohnen als Gewinnspielpreis zur Verfügung gestellt. Für eine nette kleine Bildbearbeitung konnte man eine der Figuren gewinnen – gefordert wurde ein Bild des Spieltischs mit einem guten Ersatz-Eddy.

So, nun driften wir mal weg vom ganzen Gerede über Dinge, die am Rand des Spieltischs passiert sind. Widmen wir uns der Geschichte! Nach dem sehr dramatischen Cliffhänger des ersten Teils setzte das Geschehen genau an diesen Ereignissen an. Wir beginnen im Keller des Herrenclubs und nach einer kurzen, recht mysteriösen Auseinandersetzung mit Herr Strauß in einer Rauchwolke ist der Doktor verschwunden! Das und die nachfolgenden Ereignisse lösten für mich ein kleines Gefühlschaos in dieser Reihenfolge aus:

  1. Was für eine großartige Idee, um den Doktor aus dem Spiel zu nehmen und ihn nicht als Begleit-NPC spielen zu müssen. Außerdem ein passendes Storyelement, das gleiche mehrere Dinge darüber verrät, wie dieser dunkle Zauber funktioniert. Ich bin in meinen Spielrunden selbst kein großer Freund davon einen Charakter für einen Spieler zu spielen, weil er verhindert ist und nehme sie deswegen immer lieber aus der Runde. Wenn das ganze auch noch gut erklärt werden kann, ist das großartig.
  2. Der Doktor kann aus dem Flacon mit den anderen reden? Ich weiß nicht, was Eddy hat, aber super, dass er irgendwie zugeschaltet werden konnte. So könnte er sogar den Rest des Abenteuers mitspielen, ohne wirklich aktiv zu sein. Er kann reden, in Entscheidungen einbezogen werden, aber nicht handeln, weil ihm der Körper fehlt. Das wird ja immer besser.
  3. In den letzten Sätzen des Doktors wurde klar, dass er doch nicht zugeschaltet war. Eddy befindet sich im Haus und tritt überraschend der Gruppe bei. Ok, aber dann hätten sie das auch gleich lassen können und er wäre von Anfang an dabei gewesen.. oder nicht?

Nein, denn wie bereits im ersten Punkt erwähnt, hatte der ganze Zauber nicht nur kosmetische Gründe, sondern sollte auch gleich eindrucksvoll am Beispiel zeigen, wie der Körpertausch funktioniert. Davon abgesehen war es aus meiner Sicht nicht unbedingt ein „Aha“-Moment für uns Zuschauer, sondern für die Spieler. Denn ihren Reaktionen nach wussten sie nicht vom geheimen Plan zwischen Hauke und Eddy. Und das war schön anzusehen. In der ersten Stunde, in der Eddy nicht mit am Tisch saß (die Zeit kam mir rückblickend deutlich kürzer vor), folgten die Spieler den Spuren. Ich will an dieser Stelle nicht im Detail auf die Geschichte eingehen, denn minutiös jedes Detail zu beschreiben sprengt den Rahmen. Was aber unbedingt erwähnt werden muss, ist ein neuer NPC, den Hauke grandios in Szene gesetzt hat: Madame Gogol.

Warum hat diese Figur so gut funktioniert und wurde im Nachhinein von vielen Fans als „phänomenal“ beschrieben? Aus meiner Sicht kommen hier einige Punkte zum tragen, die einen guten Cocktail ergeben:

  • Die Beschreibung des „Geschäfts“ suggeriert sofort eine nicht ganz vertrauenswürdige Person. Dazu passt auch Haukes Beschreibung des Aussehens, das nicht klar als männlich oder weiblich erkannt werden kann, die übertriebene Verwendung von Schminke.
  • Haukes Gestik während er Madame Gogol darstellt wirkt überflüssig, passt dadurch aber sehr gut zur vorherigen Beschreibung. Er geht noch einen Schritt weiter, anstatt sich mit den Fingern an der Stirn zu berühren und eine sinnierende Pose zu nutzen, übertreibt er auch hier und lässt den Arm einen Kreis bilden, sodass das Handgelenk höher ist als die Fingerspitzen. Ihr könnt es gern mal ausprobieren, wirklich bequem ist das nicht, aber hat sofort einen Wiedererkennungseffekt.
  • Wortwahl und Sprechweise haben ebenfalls einen hohen Wiedererkennungswert. Das häufige tiefe Brummen passt zur Charakterbeschreibung, ebenso auch das leicht kratzige der Stimme und Strecken der hohen und tiefen Töne.

Durch diese Merkmale ist es sehr leicht zu bemerken, wann Hauke als Spielleiter spricht und wann er in die Rolle von Madame Gogol schlüpft. Eine Überraschung war auch der Ratlow (von dem ich annehme, dass er so geschrieben wird), für den Hauke eine völlig neue Stimme offenbarte. Da denkt man nach mehr als 15 Episoden, dass man von Hauke alles gesehen hat und dann packt er so ein Brett aus. Chapeau.
Dazu muss natürlich erwähnt werden, dass auch hier wieder nicht an Witz und Humor gespart wurde. Dadurch macht es viel Spaß dem Dialog zuzusehen. Und damit sind wir auch schon wieder beim Thema Dialoge. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die #spitzestifte-Reihe und ist ein wichtiger Bestandteil des Erfolgs. Auch wenn der ernste Ton des Spiels nie verloren geht, man widmet sich eifrig der Detektivarbeit, werden immer wieder Wortspiele und Anspielungen eingestreut. So auch das Verhandlungsgespräch von Nils und Hauke oder die musikalische Untermalung im Lager der Zigeuner.

Eine weitere besondere Erwähnung muss in dieser Folge das „Zubehör“ bekommen. Auch wenn es für mich nicht notwendig ist, um mich in die Geschichte zu versetzen, finde ich kleine Spielereien wie Pistolen, Hüte, Gehstöcker und Monokel hilfreich für die Spieler, um sich noch mehr in ihren Charakter zu versetzen. Besonders Simon fuchtelt ja mit Leidenschaft mit seinem Schießprügel herum. Das Monokel hatte außerdem noch eine Bedeutung innerhalb der Spielwelt, da damit geheime Spuren und Schätze gefunden werden können. Das ist nicht nur ein witziges Gimmick, sondern auch eine Hilfe für die Spieler um in schwierigen Momenten einen Weg zu haben, vielleicht doch noch ein Rätsel zu lösen. Es wurde auch nicht zu oft verwendet und selbst wenn dem so gewesen wäre, hatte Hauke in der Hand, wann auch Spuren zu finden sind und wann nicht. Mit bewusstem Einsatz des Spielleiters also empfehlenswert.

Ich habe diesmal weniger Bezug auf das Verhalten der einzelnen Spieler gelegt, denn aus meiner Sicht konnten sie alle das inzwischen anspruchsvolle Niveau der letzten Folgen halten und stellenweise übertreffen. Man merkt sehr, sehr deutlich, dass die ganze Runde inzwischen viel Erfahrung gesammelt hat. Auch das dramatische Ende passte für mich gut – es wurden (besonders mit dem anschließenden „Was wäre wenn“) viele offene Fragen geklärt, ohne aber alles offen zu legen. Hier ist defintiv noch Zündstoff für weitere Abenteuer vorhanden, denn um Herr Strauß ranken sich nach wie vor viele Geheimnisse. Die Mischung aus Detektivarbeit, Mystery-Horror und Action war so ansprechend wie auch in den letzten Teilen und auch wenn es scheinbar Magie in der Welt gibt, ist sie eher der treibende Motor der Geschichte als eine Spielerei am Rande. Und nun ist auch endlich klar, was es mit der ranzigen Butter auf sich hatte…

Zusammenfassend hat mir das Abenteuer sowohl vom Aufbau, den neuen Einflüssen, aber auch den Interaktionen der Spieler (und dem Geschehen am Spieltisch) mehr als gut gefallen. Auch die Community war wieder sehr kreativ und aktiv und hat dutzende schöner Bilder, witziger Sprüche und humorvoller Fanarts produziert. Meinen herzlichen Dank an Hauke, Simon, Eddy, Nils, Budi und das ganze Team das hinter der Kamera aktiv war – es war mir eine Freude.
Damit verteile ich 5/5 Würfeln und empfehle die Episode ohne Einschränkungen.

PS: arte hat sich ebenfalls dem Thema Pen&Paper gewidmet und ein kurzes Video produziert, das ein besonderes Augenmerk auf die Aktivität der Bohnen in diesem Bereich legt.

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