Review: Jailhouse Boogie (2)
Der Fluch des ungeliebten zweiten Teils zieht sich wie ein roter Faden durch die Filmgeschichte. Natürlich ist das eine Geschmacksfrage, es gibt sicherlich auch Menschen, die den zweiten Matrix-Teil besser fanden als den ersten. Für die meisten Leute mit denen ich gesprochen habe, hätte es aber bei dem ersten Teil bleiben können. Wie bei jedem guten ungeschriebenen Gesetz gibt es massig Ausnahmen. Wenn man mich fragen würde, wie ich „Jailhouse Boogie – Episode 2“ einordnen würde, dann wäre es sicherlich die Ausnahme.
Mein persönliches Empfinden ist sogar, dass der zweite Teil den ersten übertraf. Allerdings macht es bei Pen&Paper-Abenteuern eigentlich mehr Sinn, sie als großes Ganzes zu sehen. Denn ohne die vielen kleinen Momente aus dem ersten Teil wären die Charaktere noch immer fremd und nicht wie alte Bekannte. Das ist natürlich auch Fluch und Segen der kurzen Abenteuer, die die Rocketbeans aktuell spielen. Es gibt ständig neue Charaktere mit neuen Macken und Kleinigkeiten, die man gern hat. Man schließt sie ins Herz, bekommt aber durch die Kürze nicht das Gefühl, sie wirklich zu kennen. Es sind eher flüchtige Bekanntschaften als echte Freunde, Menschen, die man auf einer Party trifft und mit denen man einen ganzen Abend lang immens viel Spaß hat. Und danach nichts mehr voneinander hört.
Diesmal geht es trotz des erfolgreichen Endes noch weiter an der Seite von Turtle, Shelly und Bob. Denn so wirklich vorbei ist das ganze noch nicht, wenn wir uns an den Prolog erinnern. Sie müssen nicht nur aus dem Gefägnis „The Shell“ ausbrechen, nein, sie müssen sich auch ihren Wagen mit den vermutlich illegalen Waren zurückholen. Und das möglichst schnell.
Trotzdem war ich ehrlich gesagt überrascht. Ich hätte um 22.30Uhr nicht gedacht, dass der Ausbruch wirklich noch an diesem Abend realisiert werden kann. Stellenweise haben die Jungs ja auch viel dafür getan, dass es nicht so kommt. Diesen Punkt muss ich auch allgemein als positiv unterstreichen – bei beiden Folgen hat mir sehr gut gefallen, dass es zeitlich kompakt war. Nicht, dass ich mir noch kürzere Abenteuer wünsche, nein. Aber ich finde es sehr angenehm, wenn die Abenteuer vor 12 Uhr enden, da meine Aufmerksamkeit danach meist relativ schnell abfällt.
Ebenso positiv ist Haukes Planung. Was ich in Beards und Tears gern etwas kritischer beäugt habe, funktioniert in diesen neuen Kurzabenteuern hervorragend. Der doch stark an Videospielen orientierte Ansatz, sich bestimmte Schlüsselgegenstände zu besorgen, durch Gespräche Dinge auszulösen und das ganze etwas aufgelockert durch eine Prise „Was auch immer die Spieler machen“ ist schön für diese Settings. In den eher Open-World-artigen Settings fehlte mir hier immer das Gefühl totaler Freiheit. Natürlich gibt es Dinge, die einfach nicht gehen, aber es kam mir manchmal so vor (ich unterstreiche das, es kam mir so vor), als wolle Hauke bestimmte Aktionen nicht zulassen oder, falls doch, sie danach durch Tricks wieder so biegen, dass es zu seiner geplanten Idee passt. Das wirkte steif. In den begrenzten Räumen von Morriton Manor oder The Shell jedoch stellt es sich ganz anders dar. Hier wirkt es nicht krampfhaft, sondern sehr gut vorbereitet und ich glaube auch, dass Hauke sich hier viel wohler gefühlt hat.
Heute ist Ausbruchstimmung bei #jailhouseboogie angesagt! #spitzestifte @EtienneToGo @budnoob @boedefeld_ @DerHauge pic.twitter.com/O6YMlfyR4N
— Ce Line (@paradrawmal) 18. August 2017
Ebenso wohl haben sich die Spieler gefühlt, die nach herzenslust fluchten. Ich kam mir stellenweise wie ein kleines Kind vor, das vor dem Fernseher saß und sich darüber amüsierte, was für schlimme Wörter da an mein Ohr drangen. Man könnte als negativ vermerken, dass die Charaktere wieder sehr stereotyp waren. Der große, sehr einfach gestrickte Schildkrötenliebhaber, der daueraggressive Schläger, der kaltblütige Messerstecher… aber aus meiner Sicht wird Pen&Paper nur besser, wenn man solche Charakterzüge benutzt. Denn zum einen ist es längst nicht alles, was der Charakter zu bieten hat. Zum anderen, und das gilt besonders für solche öffentlichen Runden, hilft es dem Zuschauer sich schnell mit der Gruppe zu identifizieren. Man weiß so ungefähr, wie die Charaktere reagieren werden, trotzdem schaffen sie es diese Erwartungen zu erfüllen und doch zu überraschen. Es gibt diesmal auch keinen Spieler, den ich als besonders positiv oder negativ herausstellen kann. Alle haben ihre Rolle großartig gespielt.
Ich bin sehr gespannt, wie das nächste Abenteuer wird. Bewegen wir uns wieder in einer offenen Welt? Wird das mit Hauke trotzdem funktionieren? Ich bin sehr gespannt und freue mich auf die Fortsetzung. Wie war euer Eindruck des Abends?