Morriton Manor Stories – The Funeral (Review)

Nachdem ich das letzte Review nicht gerade zeitnah geschrieben habe, habe ich mir diesmal fest vorgenommen schneller zu sein. Und eine Woche Verspätung zählt aus meiner Sicht klar zu „Vorsatz erfüllt“.
Nachdem wir in den letzten Abenteuern der Rocket Beans allerlei Kurzgeschichten erlebt haben, zu denen ich auch Good Times Island zähle, ging am 9. Februar 2018 zurück ins viktorianische London. Zurück zu Morriton Manor, dem ersten Kurzabenteuer nach T.E.A.R.S. und B.E.A.R.D.S.. Diesmal mit einem neuen Ansatz, denn aus „Was geschah auf Morriton Manor“ wird „Morriton Manor Stories – The Funeral„.

Der Name weckte schon erste Vermutungen. Offensichtlich bleiben wir im bekannten Setting und vermutlich werden uns auch die Charaktere der ersten Geschichte begegnen. Mit dabei sind die alten Ganoven Hauke, Simon, Budi, Nils und Etienne.
Daneben verrät es aber noch mehr. „Stories“ verkündet, dass es auch nach diesem Abenteuer nicht der letzte Ausflug nach London sein wird. Das Begräbnis scheint nur der erste Schritt zu einer längeren Reise zu sein. Das ist so nicht undenkbar, immerhin blieben nach dem letzten Abenteuer noch einige Fragen unbeantwortet. Auch wenn Hauke natürlich im anschließenden „Was wäre wenn“ viele Antworten gab. Trotzdem bieten sich hier viele Chancen für neue Erlebnisse.

Soweit die Vermutungen. Aber mit denen müssen wir die Sache ja nicht enden lassen.
Wie immer vorweg der wichtige Hinweis, dass diese Beurteilung subjektiv ist – ich kann nur bewerten was ich gesehen habe und wie es auf mich persönlich wirkte. Wenn ihr Dinge anders seht, teilt mir das ruhig mit. Es kann mir sicher nicht schaden auch mal Wind aus einer anderen Richtung abzubekommen.

So, fangen wir mit den Dingen an, die man sehen kann. Der Titeltrailer, in dem man im letzten Teil das Anwesen der Morritons sah, ist leicht abgewandelt. Statt eines Anwesens ein Stück entfernt vom turbulenten Leben steht das Haus auf dem der Titel plakativ aufleuchtet inmitten einer Häuserreihe. Auch das Turmfenster mit dem Pentagramm wurde gegen ein normales Fenster gewechselt. Ich erwähne das, weil ich beachtlich finde, wie schnell allein diese paar Sekunden schon vermitteln, was passieren wird – ohne wirklich etwas zu verraten. Für meinen Geschmack ist hier beide Male eine wundervolle Gratwanderung gelungen, mit sehr wenigen Elementen, passenden Soundeffekten und einer sehr langsamen Kamerabewegung eine Stimmung zu erzeugen. Das setzt sich auch in der ersten Kameraeinstellung des Spielzimmers fort. Das Set ist (wie inzwischen gewohnt) liebevoll mit kleinen Anektdoten gestaltet (beispielsweise Carter’s Hair-cutting Saloons im Hintergrund). Was für mich nicht ganz passt sind die Stühle, die irgendwie befremdlich wirken. Hier hätten ein paar simple Holzstühle vermutlich weniger Aufsehen erregt.

Inhaltlich ging es mir wie vermutlich vielen anderen Zuschauern, zumindest erweckten die Kommentare im Vorfeld diesen Eindruck – mit Morriton Manor Stories ging es zurück zu meinem bisherigen Lieblingsabenteuer. Bereits in den vergangenen Episoden fühlten sich die Charaktere sehr rund und in ihrem Wahnsinn glaubwürdig an. Daran hat sich nicht viel geändert, vor allem die morbiden Sprüche und makaberen Witze sind so unterhaltsam wie eh und je.
Mein persönlicher Favorit war: „Das einzige was hier zu Grabe getragen wird, ist die Wahrheit!“.

In der Rolle des Anwalts hat Hauke eine neue Stimme aus dem Hut gezaubert, die leicht nasale aber trotzdem flüssige Sprechweise war interessant. Mir ist in den vergangenen Abenteuern aufgefallen, dass er des Öfteren kurze Pausen zwischen den Worten einlegt, die nicht immer wie dramatische Pausen wirken, sondern als wenn er genau überlegt, was er sagt. Das ist wertungsfrei zu verstehen, denn es ist auf jeden Fall besser als ein ständiges Füllwort dazwischen zu werfen (wer das Ende der letzten AdventureCorp-Episode gehört hat, weiß, dass ich damit eine persönliche Vendetta habe). Umso mehr gefiel es mir, dass die Sätze hier flüssig formuliert waren. Es wirkte wie ein echtes Gespräch, als wäre Hauke voll in der Rolle angekommen. Und das war geil.

Probleme gab es da eher beim Namen einiger NPCs, in diesem Fall von „Sligh“. Sofern man ihn so schreibt, ich beanspruche das in diesem Artikel als die korrekte Schreibweise. Er stellte sich nämlich auch als recht schwer zu sprechen und merken heraus, von Sligh zu Sleigh, Slig, Sleight und Slight waren so manche Varianten dabei. Aber so lange am Ende alle wissen, wer gemeint ist, spielt es keine große Rolle. Nach der kurzen Vorstellung der Charaktere und was diese bisher so getrieben haben, ging es nämlich auf direktem Weg zum Haus Sligh. Dabei war im Hintergrund eine sehr stimmungsvolle, lockere und verspielte Musik zu hören. Das empfand ich als sehr passend zur Situation und dezent eingespielt, sodass es mir trotzdem positiv auffiel und das Gespräch unterstützte, aber nicht davon ablenkte. Eine Weile später, als die Gruppe auf dem Weg ins Leichnschauhaus war, passierte dafür das genaue Gegenteil. Diesmal wurde etwas eingespielt, was ich als „friedliche Dorfmusik“ aus Rollenspielen wie Final Fantasy kenne. Für sich nicht schlecht, aber im Spiel waren wir schon an einem Punkt, der eine mysteriöse Aura hatte und die Musik hätte dieses Gefühl unterstützen müssen, statt ihm entgegen zu stehen. Etwas aus der Kategorie „thrilling suspense“ wäre passender gewesen.
Wie früher in der Schule kommt erst etwas positives, dann negative Kritk und dann rundet man wieder positiv ab. So auch zum Thema Sound, während die Hintergrundmusik am Anfang perfekt war und zwischendurch hinkte, war der Soundeffekt des Schusses von Lord Grey perfekt. Nils sagt er schießt und, Achtung, wie aus der Pistole geschossen folgte der Soundeffekt. Das hat Nils selbst überrascht und mir wirklich gut gefallen. Würde man mir sagen davon gibt es in Zukunft mehr, wäre meine Antwort „Ja geil, hab ich Bock drauf„.

Auch die bereits aus vergangenen Abenteuern bekannten Schlüsselgegenstände waren wieder mit dabei, wenngleich in spärlicher Zahl. Nennen wir es „dezent“ und passend. Ebenso das Rätsel, welches Simon gleich lösen wollte. Und überraschenderweise auch souverän konnte. Nicht, dass ich es ihm nicht zugetraut hätte, aber war trotzdem interessant zu sehen, wie der Lösungsgedanke durch seinen Kopf ging und sich sein Gesicht erhellte. Soweit, so logisch. Bis zu diesem Gegenstand, der sofort mehrere Fragen aufwirft – das Stück ranzige Butter.

Auch, wenn es vermutlich irgendwann einmal wichtig sein könnte, gefällt mir der folgende Gedanke viel mehr: Hauke sitzt am Abend an seinem Schreibtisch und tippst fröhlich die Eckpunkte der Schnitzeljagd zusammen. Plötzlich überkommt ihn der Hunger, er geht zum Kühlschrank und muss voller Entsetzen feststellen, dass sein bestes Stück Butter, liebevoll Margarethe genannt, ranzig geworden ist. Es folgt eine mehrere Minuten andauernde Trauerphase vor dem Mülleimer. Als Hauke an seinen Schreibtisch zurückkehrt, weiß er, dass er diesen emotionalen Verlustschmerz verarbeiten muss. Und so findet die Butter ihren Einzug in das Abenteuer.
Nun, im Ernst, es wäre auch charmant, wenn Hauke einfach einen Gegenstand eingefügt hat, dem keine größere Bedeutung zugesprochen wird, um zu sehen, wie die Spieler die Butter von selbst in die Geschichte einweben. Ich bleibe gespannt.

Springen wir ein ganzes Stück weiter, zum großen Finale. Es war ein interessanter Versuch, einen NPC in das Spiel zu bringen, indem man sich eines bewegten Bildes bedient. Zum einen, weil der kurze ungläubige Moment gut inszeniert war, in dem man sich nicht sicher war, ob sich das Bild bewegt hat. Zum anderen, weil keine Aufnahme verwendet wurde, sondern Michael den Text live gesprochen hat. Das bewegte Bild dazu hat außerordentlich gut geklappt. Michael selbst konnte bei mir leider nicht das Gefühl wecken, dass er wirklich ein Adelsmann ist, weil seine Sprechweise und Wortwahl nicht zu meiner Vorstellung passen wollte. Es wirkte stellenweise etwas zu direkt und plump, beinahe schnippisch, ohne das Gefühl von Unbehagen und Angst zu transportieren. Ich würde mich trotzdem freuen, wenn diese Idee weiter verfolgt wird.

Mit dem Gemälde ging der Schwenk auch wieder zurück zum Ende der ersten Geschichte. Schwarze Magie ist im Spiel, ein Element, das vorher gar keine Bedeutung hatte und das ich ehrlich gesagt auch schon wieder vergessen hatte. Dadurch bekommt das Abenteuer gerade passend zum Cliffhänger einen mystischen Touch, wandelt aber nicht hinüber in ein High-Fantasy-Setting. Die meisten Situationen und Probleme bleiben nicht-magisch und das macht auch den Reiz dieses Setting aus. Wo wir gerade beim Cliffhänger waren, man, war das ein Cliffhänger. Dass mit dem letzten Satz nochmal der Name „Strauß“ fällt, hat mich ziemlich überrascht, denn wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, kennen wir diesen Herren bereits aus vergangenen Abenteuern. Aber nur, wenn man das „Was wäre wenn“ bereits gesehen hat. Für alle, die das noch nachzuholen haben, es wird euch nicht schaden. Denn damit findet das Abenteuer an dieser Stelle einen schönen Bogenschluss, die Figuren wurden auf das Feld gesetzt und beim nächsten Mal erfahren wir hoffentlich mehr zu den dunklen Mächten, die hier am Werk sind.

Das Schlusswort widme ich diesmal der Charakterentwicklung. Zwischen „Was geschah auf Morriton Manor“ und „Morriton Manor Stories“ gab es ja einige Dinge, die die Charaktere erlebt haben. Wie wirkte sich das auf die Runde aus?
Budis neues Konzept für Wilson finde ich etwas ungelenk. Wir haben erfahren, dass er in Wahrheit der Graf ist, der außerdem nach eigenen Aussagen Graf Mon von Herzen hasst. Trotzdem bleibt er bei dem alten Spinner und erledigt zuweilen noch immer die Aufgaben eines Dieners. Diese Handlungen sind in Ordnung, aber es passt für mich einfach nicht zum neuen Konzept. Warum bleibt er bei ihm? Warum spielt hier weiter die Hass-Liebe und Best-Buddies-Dramatik eine Rolle?
Je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto klarer wurde mir, dass es nicht reicht, nur diese Seite der Geschichte zu betrachten. Ob als witzige Geschichte gedacht oder wohlüberlegt, aber wenn man die Ereignisse mit einbezieht, die Graf Mon erlebt hat, wird das Bild klarer. Er hat nämlich ihr ganzes Vermögen in eine neuartige Währung, sogenannte Bietcoins, investiert. Ganz recht, die beiden sind nach diesem klugen Schachzug finanziell komplett ausgebrannt. Wilson bleibt kaum eine andere Wahl, als den Schein zu wahren und an der Seite von Graf Mon zu bleiben. Ich bin also nicht volllkommen überzeugt von Simon und Budi, es ist „more of the same, but different“. Ich hoffe, dass sich das für mich als Zuschauer in der nächsten Folge wieder etwas schlüssiger präsentiert, denn Sinn macht es.

Zu Nils bleibt mir nicht viel zu sagen, außer großem Lob, dass er seinen Charakter konstant unterhaltsam und nachvollziehbar spielt. Er wirkt in vielen Charakterzügen sehr ausgearbeitet.
Ähnlich wie bei Budi ging es mir bei Etienne. Mit der neuen homöopathischen Komponente seines Doktors kann ich mich noch nicht so recht anfreunden, weil er mir im letzten Abenteuer als der ernsthafteste Charakter erschien. Ein Großteil des Comedy-Golds war ihm zu verdanken, der selten auf Albernheiten einging und eine wirklich glaubwürdige Figur spielte. Dieser starke Kontrast aus seinen ernsten Zügen, der düsteren Geschichte, den Wortspielen von Nils und den Albernheiten von Simon und Budi ist aus meiner Sicht, warum Morriton Manor so viel Erfolg hatte. Ich will nicht behaupten, dass das verloren gegangen ist. Etienne spielt den Charakter kaum verändert, allerdings passen die Globuli für mich noch nicht ins Bild. Auf der anderen Seite reden wir von einer Zeit, in der Hysterie als typische Frauenkrankheit diagnostiziert wurde. Also überlege ich auch hier, ob ich wirklich etwas zu meckern habe.

Insgesamt haben sich die Geschichte und die Spieler nicht nur als würdiger Nachfolger des ersten Abenteuers präsentiert, sondern auch dafür gesorgt, dass ich mehr wissen will und mich gut unterhalten gefühlt habe. Und was will man mehr erwarten?


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